Mittwoch, 01. Februar 2023

Wie können Menschen mit einer Schluckstörung sicher Medikamente einnehmen?

Die Prävalenz einer Dysphagie, also einer Schluckstörung, steigt mit zunehmendem Alter als auch bei bestimmten Erkrankungen, so auch nach einem Schlaganfall. Tatsächlich ist das Pflegepersonal in Österreichs Krankenhäusern häufig mit der Frage konfrontiert, wie verschriebene Medikamente bei Schluckstörungen sicher eingenommen werden können. Ob gängige Methoden zur Erleichterung des Schluckens bei Patient_innen nach einem Schlaganfall sicher und in dem gleichen Maße, wie sie angewandt werden, nötig sind, untersucht Logopädin PhDr. Michaela Trapl-Grundschober, MSc am Universitätskrankenhaus Tulln, Lehr- und Forschungsstandort der Karl Landsteiner Privatuniversität.

Schluckprobleme bei der Einnahme von Tabletten oder Kapseln betreffen auch Gesunde und junge Menschen. Die Wahrscheinlichkeit einer Schluckstörung nach einem Schlaganfall und ab einem Alter von 65 Jahren liegt zwischen 60 und 80 Prozent und betrifft damit einen Großteil dieser Patient_innengruppe. Um das Schlucken notwendiger Medikamente zu erleichtern, werden diese häufig zerkleinert und/oder in Flüssigkeiten oder Breien, so genannten Trägersubstanzen oder Begleitboli, verabreicht. Nicht immer dürfen Medikamente zermahlen werden, da die Änderung der Konsistenz zu veränderten und unerwünschten Wirkungen führen kann. Auch Inhaltsstoffe von Lebensmitteln können die Medikamentenwirkung beeinflussen. Ob zermahlene und/oder in Begleitboli gemischte feste Medikamente von Menschen mit Schluckstörungen tatsächlich besser eingenommen werden können, ist bisweilen nicht ausreichend wissenschaftlich belegt.

Befragung der betrauten PflegepersonenMittels Fragebogenerhebung wird der Ist-Zustand, die gängige Praxis an deutschsprachigen Krankenhäuserin in Österreich, Deutschland und der Schweiz erhoben. Welche Trägersubstanzen werden hauptsächlich für die Verabreichung von festen oder gemörserten Medikamenten eingesetzt? Wie sehen die am häufigsten verabreichten Medikamente aus? Die Verteilung der Fragebögen erfolgt über Krankenanstaltenträger_innen in Österreich, an Schlaganfallzentren – Stroke Units - in Deutschland als auch online in den Sozialen Medien. Befragt werden Pflegepersonen und anderes Personal an Stroke Units. Die Ergebnisse der Erhebung liefern wichtige Informationen für die Durchführung des zweiten Studienteils. Apfelmus wird besonders häufig als Trägersubstanz eingesetzt und die am häufigsten applizierten Medikamentenformen auf Stroke Units sind kleine, runde Tabletten mit 8mm Durchmesser, ovale Tabletten mit 17mm Durchmesser und Kapseln der Größe 2. 

Bei wie vielen Schlaganfall-Patient_innen liegt tatsächlich eine Schluckstörung für feste Medikamente vor?Zur Beantwortung der Forschungsfrage absolvieren Patient_innen in der ersten Woche nach Schlaganfall ein Schluckscreening: eine Logopädin oder ein Logopäde erhebt den Mundstatus und sowohl die Patient_innen selbst sowie deren Pflegepersonen oder Angehörigen füllen einen Fragebogen zur Einschätzung des Tablettenschluck-Vermögens aus. Bei der Endoskopischen Untersuchung des Schluckaktes werden zunächst 3 Teelöffel einer apfelmusähnlichen Substanz verabreicht und der Schluckakt wird basierend auf validierten Scales&Scores beurteilt. Folgend werden in randomisierter Reihenfolge die drei Test-Placebomedikamente gemeinsam mit einem Teelöffel (3ml) der eingangs getesteten Trägersubstanz verabreicht. Die Schluckeffizienz sowie die Schlucksicherheit der Placebotabletten als auch der Begleitboli werden mittels standardisierter Skalen bewertet. Tritt im Laufe der Testung einmalig eine Aspirationsgefahr auf, wird der Test abgebrochen.

Forschung dringend notwendigDie Ergebnisse der Studie am Universitätsklinikum Tulln sollen vor allem Pflegepersonen mehr Sicherheit im klinischen Alltag geben und dazu betragen, klare Richtlinien für die Eingabe fester Medikamente bei Schlaganfallpatient_innen mit Schluckstörungen zu etablieren. „Das Forschungsprojekt hat einen unmittelbaren praktischen Bezug und Forschungsergebnisse zu Screening und Umgang mit Dysphagie allgemein und im Speziellen bei Patient_innen nach akutem Schlaganfall sind dringend notwendig“, so die Autorin und Studienleiterin PhDr. Michaela Trapl-Grundschober, MSc.

Originalarbeit

OriginalarbeitTrapl-Grundschober, M. (2022). Einnahme von festen Arzneiformen: Ein Risikofaktor bei rezenter Dysphagie nach akutem Schlaganfall? Forschung Sprache. https://www.forschung-sprache.eu/fileadmin/user_upload/Dateien/Heftausgaben/2022_2/Trapl-Grundschober.pdf